Zertifizierung im Requirements Engineering – Teil 1: Ein Überblick

(Aktualisierte Fassung vom 06.12.2022). Sie möchten sich als Requirements Engineering Professional zertifizieren lassen (Einstiegszertifizierung)? Sie wissen aber nicht, welche Zertifizierungen es in diesem Bereich überhaupt gibt? Und Sie haben darüber hinaus jede Menge andere Fragen? Nur zu, dieser Artikel bietet eine kleine Hilfestellung für genau diesen Bereich. Aber fangen wir doch einfach gleich an.

Welche Zertifizierungen kommen in Betracht?

Neben Zertifikaten, die das Thema Requirements Engineering selbst im Titel tragen, gibt es auch in angrenzenden Themenfelder Zertifizierungen, die man sich anschauen sollte. Im Folgenden fangen wir mit ersteren an, danach schauen wir etwas über den Tellerrand.

RE Zertifizierungen

Im Einstiegsbereich (häufig auch Foundation Level oder FL genannt) ist die Auswahl gar nicht mal so groß. Im Bereich des Requirements Engineerings gibt es zwei bzw. mittlerweile (seit 2017) eigentlich nur noch eine:

Das war jetzt kein Copy und Paste Fehler, beide hatten wirklich die gleiche Bezeichnung, lediglich die inhaltlich verantwortliche Organisation hat einen anderen Namen. Das war recht unglücklich und führte auch so manches Mal zu Verwirrungen. Denn obwohl der Zertifikatsname gleich ist, stand nicht derselbe Lehrplan und die gleiche Prüfungsordnung dahinter. Hatte damals schon man die Suchmaschine Google entscheiden lassen, war es ein klarer Fall: zum IREB CPRE findet man deutlich mehr Informationen im Netz. Auch im Bereich der Materialien für die Prüfungsvorbereitung sieht es ähnlich aus. Unter http://www.certified-re.de , der IREB Website, findet man sogar einen Counter (10.642 Zertifizierungen Stand 6.2.2013, 66.000+ Stand 06.12.2022)), Lehrpläne, Glossar etc. Die damalige Seite des REQB (http://www.reqb.eu/) verlinkt mittlerweile auf die der IREB. Inhalte beider Zertifizierungen war bzw. ist das Standard Handwerkszeug des Requirements Engineers für die Erhebung, Dokumentation, Abstimmung und Verwaltung von Anforderungen. Erworbene REQB Zertifikate können in ihre Pendants bei der IREB umgewandelt werden.

Benachbarte Bereiche – Business Analysis (BA)

Auch in benachbarten Bereich der Business Analyse gibt es Zertifizierungsmöglichkeiten.  Das International Institute of Business Analysis (IIBA) bietet, neben Zertifizierungen für Fortgeschrittene, dem IIBA CBAP und IIBA CCBA, auch eine Einstiegszertifizierung (syn. Foundation Level) mit dem Namen Entry Certificate in Business Analysis (ECBA) an. Wer aus dem Bereich Projektmanagement stammt, wird gewisse Ähnlichkeiten zur den Zertifizierungen des PMI feststellen. Ähnlich wie dort das Project Management Body of Knowledge (PMBOK) gibt es hier ebenfalls ein Basiswerk, das BABOK (=Business Analysis Body of Knowledge), welches das zentrale Dokument (aka „die Bibel“) darstellt, welches die Inhalte der Disziplin beschreibt. Ähnlich wie der CPRE verfällt die ECBA Zertifizierung nicht nach einer gewissen Zeit. Zum Erwerb ist der Nachweis von „Credits“ oder auch CDUs, das sind Punkte, die man durch Aus- und Weiterbildung sammeln kann, erforderlich.

Am 20.8.2015 unterzeichneten IREB und IIBA ein Memorandum of Understanding. Im Gegensatz zur Einverleibung des REQB in 2017 sind beide Organisationen unabhängig geblieben, weil sie doch ein sehr unterschiedliches Spektrum abbilden und sich dadurch eher positiv ergänzen. Für die genauen Unterschiede zwischen Business Analyse und Requirements Engineering wird noch ein weiterer Blogartikel folgen.

Benachbarte Bereiche – Die Object Management Group (OMG)

Die Object Management Group (OMG) ist wahrscheinlich weniger bekannt als ihre Standards, für die sie steht, allen voran der Unified Modelling Language (UML). Der IREB CPRE macht massiven Gebrauch der UML und somit bietet sich für einen RE-Spezialisten mitunter eine Zusatzzertifizierung in diesem Bereich als OMG Certified UML2 Professional (OCUP2) an. Wohlgemerkt als Zusatz, denn RE Kenntnisse werden hier nicht geprüft oder gar vermittelt! Die Zertifizierung wird in den Stufen Fundamental, Intermediate und Advanced angeboten.

Aber nicht nur UML ist relevant, sondern in zunehmenden Maße auch die Business Process Model and Notation (BPMN), welche ebenfalls ihre Heimat bei der OMG hat (einen kurzen Überblick zu BPMN gibt es hier). Und analog zur Zertifizierung der UML Kenntnisse, gibt es auch einen Track für das sogenannte Business Process Modelling (BPM), den OMG Certified Expert of BPM2 (OCEB2), der sich allerdings noch zusätzlich in einen Business und einen Technical Zertifizierungspfad aufteilt. Diese Zertifizierung bietet sich ebenfalls als Ergänzung zum CPRE (der selbst derzeit kein BPMN thematisiert, sondern hauptsächlich UML verwendet) und als Vertiefung zu den Zertifikaten aus dem Bereich der Business Analyse an.

Der Vollständigkeit halber erwähnt sei noch eine weitere Alternative zu BPMN und UML zur Modellierung von Abläufen, die sog. Ereignisgesteuerten Prozessketten oder kurz  ARIS EPK. Die ursprünglich von der Fa. IDS Scheer geschaffene Modellierungsnotation ist mittlerweile Bestandteil der Software AG, die wiederum Zertifizierungen für die Modellierung mit ARIS anbietet.

Personenzertifizierungen nach ISO 17024:2012

Auch die International Organization for Standardization (ISO) hat sich mit dem Thema Personenzertifizierung auseinandergesetzt und eine Norm dazu veröffentlicht, die ISO/IEC 17024:2012. Hier wird die Unabhängigkeit von Schulungsanbieter und Zertifizierungsstelle als Qualitätsmerkmal gefordert. Beim IREB sind es insgesamt mit dem IREB als dem Bereitsteller der Inhalte drei unabhängige Parteien, beim REQB war die Lage seinerzeit etwas undurchsichtiger.

Die Entscheidung

Für den Zertifizierungseinstieg sah bei mir die Entscheidung (im Jahr 2012) folgendermaßen aus: Die geringste Hürde für den Einstieg bei gleichzeitiger Abdeckung des gesuchten Themenfeldes gab es bei den CPREs. Hier wiederum ist es der IREB CPRE, für den man am meisten Lernmaterialien, Bücher etc. findet. Eine Trennung von Schulungsanbieter und Zertifizierungsstelle nach ISO 17024 ist klar dokumentiert. Hat man mit dem Fraunhofer IESE (re-wissen.de) oder der Gesellschaft für Informatik (GI) zu tun, ist ebenfalls die IREB Variante die Präferenz.

Der ECBA wäre ein erster Einstieg in die Business Analyse und stellt damit eine geeignete Erweiterung des Horizonts nach dem IREB CPRE dar. Und wer möchte kann sich in Detailbereichen noch den OMG Zertifizierungen widmen.

Fortsetzung folgt

Mit der Wahl des IREB CPRE FL soll es im zweiten Teil nun um die folgenden Fragen gehen:

  • Muss ich eine Schulung vorher besuchen? (Voraussetzungen für die Zertifizierung)
  • Was sind die Inhalte? Was sind gute Hilfsmittel für die Vorbereitung?
  • Was kostet die Zertifizierung?
  • Wo kann ich die Prüfung machen?
  • Wie sieht die Prüfung aus?
  • Wie geht es danach weiter?
  • Wo finde ich mehr Infos?

Christoph Oemig

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